Soziobiologie Liebe

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Liebe ist Egoismus!

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Beispiele der Liebe

Was ist Liebe? Die meisten Menschen verstehen darunter, selbst geliebt zu werden und nicht so sehr selbst zu lieben. Sie stellen sich die Frage: Werde ich geliebt? Wie kann ich liebenswert sein? Ist Liebe nun Egoismus? Betrachten wir die Objekte der Liebe:

Nächstenliebe

Kinder helfen sich über die Straße. Die soziale Grundformel ist nicht nur "reciprocal altruism", sondern es ist das Gefühl der Verantwortung, der Fürsorge, des Respekts gegenüber allen anderen menschlichen Wesen.

Mutterliebe

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Abb. 2 Foto aus Elle: S. 68 (Liebe ist Programm)

Mutterliebe ist die Liebe zum Leben. Motto: "Es ist gut, geboren zu sein."

Erotische Liebe

Die Nächstenliebe ist Liebe zwischen Gleichen, die Mutterliebe Liebe für den Hilflosen. Die erotische Liebe ist das Verlangen nach vollständiger Vereinigung und vielleicht die irreführendste.

Selbstliebe

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Calvin bezeichnet die Selbstliebe als eine Pest (Narzissmus). Aber: Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst (Bibel). Es geht um Selbstliebe und nicht um Selbstsucht!

Gottesliebe

Frömmigkeit als Zeichen der Gottesliebe.

Liebe ist Altruismus

Ich möchte die provokante These aufstellen: Liebe ist Egoismus! Dabei möchte ich für Liebe zunächst ein anderes Wort verwenden: Altruismus!

Um diese These zu erläutern, möchte ich zunächst einen Blick auf das Tierreich werfen, denn der Mensch in seiner Vorgeschichte unterlag denselben Evolutionsmechanismen wie die Tiere. Und auch im Tierreich gibt es Altruismen!

Altruismen im Tierreich - Beispiele

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Der Pelikan, der sich die Brust aufreißt und mit dem eigenen Blut die Jungen füttert, gilt vielerorts als Symbol der Selbstaufopferung.

Löwen leben in Rudeln und jagen zu mehreren, von der geschlagenen Beute fressen alle Mitglieder der Jagdgruppe. Auch die Thomsongazllen leben in Rudeln. Entdeckt ein Tier einen Feind, so springt es hoch in die Luft, macht also auf sich aufmerksam. Es begibt sich damit zweifellos in Gefahr und die Gemeinschaft profitiert von dem auffälligen Verhalten, weil sie gewarnt wird und sich mit großer Wahrscheinlichkeit in Sicherheit bringen kann. Viele Vögel, die in Gruppen oder Schwärmen leben, stoßen beim Anblick eines Feindes einen lauten Warnruf aus. Seine Genossen, die den Feind noch nicht bemerkt hatten, können sich in Sicherheit bringen.

Vampir-Fledermäuse haben große Probleme bei der Nahrungsbeschaffung. Bekommt ein Vampir 60 Stunden lang kein frisches Blut, verliert er bis zu 25 % seines Gewichtes, seine Temperatur sinkt unter den kritischen Wert. Er stirbt, wenn er in zwei aufeinanderfolgenden Nächten kein Opfer findet. Und dennoch ist die Sterberate erstaunlich gering. Die Tiere zeigen nämlich ein unter Säugetieren bisher einzigartiges, risikobezogenes Verhalten. Verwandte und gute Bekannte helfen sich gegenseitig und geben Hungernden von der eigenen Blutmahlzeit ab. Eine solche Blutspende rettet den Empfänger für einen Tag und gibt ihm eine eigene Chance in der folgenden Nacht.

Altruismus bei der Brutpflege Bei vielen Fischen übernimmt das Männchen die Brutpflege, so beim Stichling oder beim Maulbrüter. Bei vielen Vogelarten beteiligen sich beide Partner erfolgreich an der Brutpflege und nehmen viele Mühen in Kauf. Bei den Säugern fallen jedem von uns die niedlichen Tierbilder von Katzen oder Hunden mit ihren Jungen ein. Geradezu rührend kümmern sich Löwenmännchen um ihre Jungen und sind in kritischen Situationen sogar bessere Eltern.

Altruismus zwischen den Geschlechtern Man kennt heute eine Vielzahl von chemischen Stoffen, die die Anziehung der verschiedenen Geschlechter bewirken. Dies geht vom Niveau der Geschlechtszellen bis hinauf zu den Säugetieren! Interessanter ist die Frage: Wieso bleiben einige Männchen und Weibchen zusammen, sind also partner-treu? So sind z.B. Gänse (aber auch Störche) besonders familientreue Tiere und die Treue reicht bis über den Tod hinaus!

Dies sind nur einige wenige Beispiele von unzähligen. Dürfen wir daraus ableiten: Gemeinnutz geht vor Eigennutz, Altruismus dominiert über Egoismus?

Genetische Grundlagen des Altruismus

Ich komme auf meine obige These zurück: Die scheinbare Selbstlosigkeit unter Tieren beruht in Wirklichkeit auf Eigennutz! Dieses Eigennutz-Konzept erscheint verführerisch einfach, weil es streng an den Evolutionsgesetzen orientiert ist. Auch manche beobachtbare Eigentümlichkeit tierischen Verhaltens wird dadurch zwanglos erklärt. Dass ein Verhalten zweckmäßig ist, setzt nicht etwas Einsicht voraus, sondern es wird lediglich ein Befund beschrieben. Darwins Evolutionskonzept vom Überleben des Geeignetsten wird übertragen auf das Verhalten. Das Überleben vollzieht sich in den Nachkommen, die Eignung oder Tauglichkeit zeigt sich in der Anzahl der Nachkommen. Wenn man diese Erkenntnisse konsequent anwendet, kommt man zu einigen sehr wichtigen Folgerungen: Da die Organismen notwendig sind für den Fortbestand und die Vermehrung der in ihm enthaltenen Gene, muss man erwarten, dass die Gene, die den Organismus in ihrem eigenen Interesse betreiben, also auch sein Verhalten so steuern, dass vordringlich ihre eigene Vervielfältigung gesichert wird. Brutpflege nützt nicht direkt den Elternindividuen, sondern dem Erhaltenbleiben ihres Erbgutes, das in den Nachkommen weiter lebt. Gleiche Gene stecken nicht nur in Eltern und ihren Nachkommen, sondern auch in den Geschwistern. Je näher verwandt zwei Individuen sind, desto mehr kommt gegenseitige Hilfe ihren gemeinsamen Genen zugute. Das heißt, Individuen sollten sich um so intensiver fördern, je näher sie verwandt sind. Voraussetzung dafür ist, dass die Organismen die Möglichkeit haben, die zwischen ihnen bestehenden Verwandtschaftsgrade abzuschätzen. Nun: Der Verwandtschaftsgrad kann berechnet werden! Die Frage ist nur: Wie können Lebewesen ihre Verwandtschaft feststellen? Einmal ist die räumliche Nähe ein Kriterium, viele Tiere verwenden aber auch direkte Verwandtschaftskennzeichen. Selbst- und Nicht-Selbst kann schon auf relativ niedrigem Niveau unterschieden werden. Bei den Polypen, die Tierstöcke bilden, kann man Stücke von verschiedenen Kolonien zusammenbringen, aber die Zellen sterben an den Kontaktflächen ab! Auch von Organverpflanzungen kennt man dies! Die Selektion greift also an den Genen an!

Bezug zu den Beispielen

Beim Eigennutz in der Masse haben im einfachsten Fall alle Individuen dasselbe Interesse, d.h. sie gewinnen alle denselben Vorteil und sie gewinnen ihn gleichzeitig (Gruppenjagd). Komplizierter wird es, wenn sich Individuen in der Masse durch spezielles Verhalten zusätzliche Vorteile verschaffen können. Dies ist der Fall bei den Warnrufen! Man sollte meinen, dass durch den Warnruf der Rufer erst recht auffällig wird und nur die Gruppe einen Vorteil hat. Dem ist aber nicht so! Wenn viele Tiere einen Schwarm bilden und jeder einmal als erster den Feind entdeckt und warnt, dann wird jeder häufiger gewarnt als er warnen muss. Die Chance für den Rufer, vom Feind erwischt zu werden, muss allerdings klein bleiben. So sind die Rufe in der Frequenz so, dass die Schallquelle schwer zu lokalisieren ist. Natürlich wäre es vorteilhaft, sich möglichst nur von anderen warnen zu lassen, damit man der Gefahr entgeht, als erster erwischt zu werden. Aber es gibt noch einen anderen Vorteil: Solange ein Vogelschwarm im offenen Gelände Nahrung sucht, ist es ungünstig für den, der als erster einen Feind sieht, einfach rasch davon zu fliegen. Damit würde er einen idealen Zielpunkt für den Feind bieten. Also ist es das Beste, die anderen durch einen Warnruf aufzuscheuchen und dann mitzufliegen. Dabei hat er noch einen weiteren Vorteil: Er weiß, wo der Feind ist und kann an der dem Feind abgewandten Seite seine eigene Sicherheit erhöhen.

Wieso lässt sich der Altruismus bei den blutspendenden Fledermäusen als Egoismus auslegen? Es ist für eine Fledermaus lebensbedrohend, im Notfall keine Blutspende zu bekommen, nicht aber, selber Blut zu spenden. Leistung und Gegenleistung ergeben also eine positive Bilanz, vorausgesetzt, es sind dieselben Individuen beteiligt. Deshalb ist solches Verhalten nach der Regel " Wie du mir, so ich dir" - Regel gegenseitiger Hilfe unter guten Bekannten zu erwarten.

Ich möchte den egoistisch motivierten Altruismus bei der Brutpflege mit einem alten baltischen Märchen umschreiben, das sehr schön die genetische Theorie des sozialen Verhaltens darlegt.

Auf einer Insel siedelte sich einst eine Krähe an, denn dort gab es reichlich Nahrung. Im Frühjahr legte der Vogel drei Eier, und als die Jungen geschlüpft waren und unentwegt ihre Schnäbel aufsperrten, war die Vogelmutter froh, dass es ringsum alles in Hülle und Fülle gab. Doch lange währte ihre Freude nicht. Eines Nachts zog ein schreckliches Gewitter herauf, und bald überschwemmten die Fluten des Meeres die Insel. Sie stiegen höher und höher und bedrohten allmählich das Krähennest. Die alte Krähe wusste, dass sie die Jungen weit übers Meer tragen musste, wenn sie die drei nicht dem nassen Tod preisgeben wollte. Aber sie vermochte immer nur ein einziges Junges zu tragen. So überlegte sie nicht lange, ergriff das erste mit ihren Krallen und flog mit ihm davon. Als die überschwemmte Insel hinter ihnen zurückblieb, fragte sie das Junge: "Wie willst du mir einmal meine Mühe vergelten?" "Wenn ich groß bin, trage ich dich, wohin du willst" erwiderte das Junge. "Du lügst" rief die Alte darauf, und sie ließ das Junge ins Meer fallen und kehrte auf die Insel zurück. Das Wasser leckte schon am Nest, da ergriff die Krähe das zweite Junge und flog eilig mit ihm davon. Nach einer Weile frage sie: "Wie willst du mir einmal meine Mühe vergelten?" Das zweite Junge erwiderte, ohne zu überlegen: "Wenn ich groß bin, trage ich dich, wohin du willst." Auch diesmal ärgerte sich die Alte über die Antwort, und sie ließ auch das zweite Junge ins Meer fallen. Darauf flog sie wieder zur Insel zurück. Mittlerweile waren die Fluten schon dabei, das Nest mit sich zu reißen, und das letzte Junge rief angstvoll nach der Mutter. Die Alte ergriff es aber noch rechtzeitig und flog mit ihm weit übers Meer. Und als sie schon dem Festland nahe waren, fragte sie zum dritten Mal. "Wie willst du mir einmal meine Mühe vergelten?" Das Junge überlegte nicht lange. Es antwortete: "Wie sich dir deine Mühe vergelten will? Wenn ich groß bin und es Not tut, werde auch ich meine eigenen Jungen übers Meer tragen!" Da war die alte Krähe endlich zufrieden. Sie sagte: "Du sprichst die Wahrheit, denn wir Vögel sorgen nicht für unsere Eltern. Und weil deine Antwort ehrlich war, will ich ein neues Nest bauen und dich so lange füttern, bis du flügge geworden bist!." Und daran hielt sich die alte Krähe.

Beispiel 3 und 4 werden zusammen behandelt, da im Tierreich Fortpflanzung und Brutpflege sehr eng zusammenhängen. Zur Soziobiologie des Löwen: Das Rudel besteht aus wenigen Männchen, einem Haremsführer und mehreren Weibchen. Zwei wichtige Tatsachen müssen beachtet werden: Niemals wird ein fremdes Weibchen in ein Rudel aufgenommen, nach zehn Jahren sind alle Weibchen irgendwie miteinander verwandt. Die Männchen verlassen mit 3 Jahren ihr Geburtsrudel, jagen und wachsen heran. Im Alter von 5 -6 Jahren versuchen sie ein Rudel zu übernehmen, einen Harem, im Durchschnitt allerdings nur für 2-3 Jahre, dann ist ihre Fortpflanzungszeit zu Ende. Übernehmen neue Männchen einen Harem, so starben in 90 % der Fälle alle Jungen, die jünger als 4 Monate waren. Denn: Wenn Löwenmännchen einen Harem übernehmen, so bringen sie diese um - gegen ihre eigenen Jungen sind sie durchaus freundlich!. Sie wenden sich aber gegen solche, die eigenem Nachwuchs im Wege stehen! Zwar wehren sich die Weibchen, aber da dies Energie kostet, verzichten sie schließlich auf die vorhandenen Jungen und fangen mit dem neuen Haremsführer einen neuen Wurf an. (Folie Hör zu) Dass Männchen in kritischen Situationen bessere Eltern sind, lässt sich nicht nur mit genetischer Übereinstimmung erklären: Die effektive Fortpflanzungsphase der Männchen dauert 2-3 Jahre, die der Weibchen dagegen 12 Jahre. Ein Junges ist für den Vater wertvoller als für das Weibchen.

Die Frage, die sich im Tierreich stellt: Wer übernimmt die Brutpflege? Dabei ist wichtig: Wie nah verwandt sind Elter und Kind? Wie stark hängt das Überleben des Jungtiers von der Pflege ab? Wie groß ist das Fortpflanzungspotential des Jungen? Wer zuerst desertiert, ist besser dran. Bei Fischen legt das Weibchen zuerst seine Eier ab, das Männchen besamt später. Bei Fischen ist daher der brutpflegende Anteil unter Männchen erstaunlich hoch. Bei innerer Befruchtung ist es das Männchen, das eher verschwinden kann, ohne seine Gene aufs Spiel zu setzen. Doch gibt es hier Strategien, die das Bleiben des Männchen veranlassen- auf diese gehe ich gleich genauer ein. Das Ausmaß des Altruismus bei der Brutpflege lässt sich am ehesten mit einer einfachen Kosten-Nutzen-Rechnung angeben. Dies gilt für den Standpunkt der Mutter und auch für den Standpunkt des Kindes, das rücksichtslos seinen Vorteil sucht. Vogeleltern füttern regelmäßig dasjenige Junge, das am heftigsten oder am frühesten sperrt oder am lautesten ruft. Und uneffektive Brutpflege ergibt oft einen elterlichen Infantizid! So frisst eine unter Selektionsdruck stehende Mutter ihren zu klein geratenen Wurf auf oder verlässt ihn. Voraussetzung ist allerdings, dass ein neuer Wurf wahrscheinlich wird. Je älter aber eine Mutter wird, desto weniger wahrscheinlich wird ein weiterer Wurf und dementsprechend sollte mit dem Alter auch ihre Bereitschaft zunehmen, ausnehmend klein geratene Würfe dennoch aufzuziehen. Das erweckt den Eindruck: Ältere Mütter sind bessere Mütter.

Wie verhält es sich nun mit der viel gepriesenen Partnertreue bei vielen Vogelarten, die man fast als Liebe über den Tod hinaus beschreiben kann? Man muss zunächst festhalten: Der Schwerpunkt der Monogamie liegt nicht darin, dass jedes Männchen nur mit einem Weibchen Nachkommen erzeugt, sondern dass sie zusammenhalten und gemeinsam für die Brut sorgen. Denn beide Eltern haben einen genetischen Aktienbesitz von je 50% an denselben Kindern und beide, Vater und Mutter, sollten am Wohlergehen derselben Kinder interessiert sein. Wenn jedoch ein Elternteil ungestraft weniger als seinen Anteil an wertvollen Ressourcen in jedes Kind investieren kann und stattdessen mit anderen Geschlechtspartnern Kinder hat, dann kann dieser Elternteil eine größere Menge seiner Gene vererben. Wir ahnen schon, wer hier den Vorteil auf seine Seite zu ziehen versucht: Bei einer Reihe von Arten sind es die Männchen, denn die Kinderzahl, die ein Weibchen haben kann, ist begrenzt, während die Zahl der Kinder, die ein Männchen haben kann, fast unbegrenzt ist. Dies ist der Ursprung der Ausbeutung des weiblichen Geschlechts. Die Auffassung der sexuellen Partnerschaft als einer Beziehung gegenseitigen Misstrauens und wechselseitiger Ausbeutung ist für die Ethologen relativ neu. Wie kann nun ein Weibchen erreichen, das Männchen an der Kinderaufzucht zu beteiligen? Man kennt im Wesentlichen zwei Strategien , die allerdings nicht bewusst angewandt werden, sondern aus der Beobachtung resultieren. Die erste Strategie nennt sich Strategie der trauten Häuslichkeit (domestic bliss). Das Weibchen mustert die Männchen sorgfältig aus und versucht im Voraus Anzeichen von Treue und Häuslichkeit zu entdecken. Das Weibchen kann spröde sein und auf einer langen Verlobungszeit bestehen. So sondert es flatterhafte Freier aus. Lange Werbe- oder Brautzeiten sind in der Tierwelt weit verbreitet und die Investition von Seiten der Männchen ist enorm ( Nester bauen,...) Es hat kein großes Interesse, das einmal Investierte aufs Spiel zu setzen. Es gibt aber eine interessante Lösung für das Vorleistungsproblem: Statt vom Männchen Vorleistungen zu fordern, die zu Nestern, Futtervorräten oder anderen Schätzen führt, welche verteidigt werden müssen, verlangen die Weibchen einiger Vogelarten, dass das Männchen ihre individuelle Sprache, ihren Idiolekt, lernt. Über die akustische Kommunikation werden die Hormonlagen der Partner abgestimmt und führen dann zum Brüten. Es gibt einen Selektionsdruck für Partnerstetigkeit. Wer den Partner wechselt, muss neu lernen und verliert Zeit. Diese Version der Strategie der trauten Häuslichkeit hängt von einer weiteren entscheidend wichtigen Annahme ab: Die Mehrzahl der Weibchen müsste das gleiche Spiel spielen. Wenn es in der Population aber "leichte Mädchen" gibt, die bereit sind, Männchen freundlich aufzunehmen, die ihre Frauen verlassen haben, dann könnte es sich für einen Mann lohnen, seine Frau im Stich zu lassen, ganz egal, wie viel er bereits in seine Kinder investiert hat. Nehmen wir an, in der Population tritt ein leichtfertiges Weibchen auf. Es schneidet sehr gut ab. Da alle Weibchen in der Population treu sind, kann es damit rechnen, einen guten Vater für seine Kinder zu finden. "Leichtfertige Gene" werden sich ausbreiten. Hatten nun treue Männchen das Monopol, so beginnen sich die Dinge zu ändern, wenn ein Schürzenjäger in der Population auftritt, der nun besser abschneidet als seine treuen Rivalen. In einer Population, in der die Weibchen leichtfertig sind, verbreiten sich Schürzenjäger wie ein Lauffeuer und die leichtfertigen Weibchen geraten in böse Schwierigkeiten. So breiten sich spröde Gene wieder aus und als Folge nehmen die Schürzenjäger wieder ab, die treuen Ehemänner nehmen zu. Das System ist nicht stabil! Und es kommt noch etwas hinzu: Auch Gene, die die Männchen zu einer wirksamen Täuschung befähigen, werden im Genpool tendenziell begünstig werden. Als Antwort darauf begünstigt die natürliche Auslese die Weibchen, die die Fähigkeit entwickeln, eine derartige Täuschung zu durchschauen. Insgesamt hat aber das männliche Geschlecht mit Unehrlichkeit mehr zu gewinnen als das weibliche. Eine zweite Strategie lässt sich als "Strategie des Vollblutmannes" bezeichnen. Bei Arten, die sich diese Politik zu eigen gemacht haben, finden die Weibchen sich praktisch damit ab, dass sie keinerlei Hilfe vom Vater ihrer Kinder erhalten und bemühen sich stattdessen uneingeschränkt um gute Gene. Wieder einmal benutzen sie die Waffe, die Kopulation zu versagen und nur das geeignetste Männchen (ausschlaggebend ist die sexuelle Anziehungskraft!) zur Kopulation zuzulassen. Dabei ist sich die Mehrzahl der Weibchen einig: Wenige glückliche Männchen werden für den Großteil der Kopulationen verantwortlich sein. Man hat auch festgestellt, dass ein Weibchen, das sich mit einem super-attraktiven "Vollblutmann" paart, mit größerer Wahrscheinlichkeit Söhne hat. (Beispiel: See-Elefanten /Paradiesvögel).

Zusammenfassend kann man sagen, dass Monogamie, Promiskuität und Harems sich als Interessenkonflikt zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht verstehen lassen. Insgesamt neigt das männliche Geschlecht eher zu Promiskuität und Vernachlässigung der Vaterpflichten. Zu welcher Strategie die Weibchen neigen, hängt von den ökologischen Bedingungen ab. Ich möchte aber auch noch einige Worte zur Festigung der Partnertreue sagen, die durch diverse Mechanismen unterstützt wird. Man beobachtet bei vielen Tieren ein markantes Abnehmen der Konkurrenz um Weibchen, sobald die Weibchen einmal verpaart sind Die Männchen vermeiden es, fremde Kinder aufzuziehen, wenn sie Weibchen meiden, die wahrscheinlich von einem anderen Männchen begattet worden sind. Erkennbar ist ein solches Weibchen daran, dass es sich nahe beim eigenen Männchen aufhält oder dass es begonnen hat, dessen Revier mit zu verteidigen, an seinem Nest mitzubauen. Für das besitzende Männchen kann es vorteilhaft sein, möglichst auffällig und oft mit seinem Weibchen zu kopulieren. Es gibt sogar Möglichkeiten, einem Weibchen, das ohne Partner daher kommt, anzumerken, wie wahrscheinlich es begattet ist. Ein gutes Beispiel liefert die nordamerikanische Lachtaube Streptopelia risoria. Während der anfänglichen Balzphase wird das Weibchen allmählich zur Kopulation bereit und fordert schließlich das Männchen dazu auf, das intensiv darauf reagiert. Ein Männchen, das nun auf zwei unbekannte Weibchen trifft, von denen eines besonders starke Reize aussendet, wählt regelmäßig das Weibchen, das weniger stark sexuell auffordert. Von der Gen-Selektion ist dies leicht zu verstehen. Da die Weibchen nur durch Balzen mit einem Männchen in sexuelle Bereitschaft kommen, muss ein Weibchen, das sich zur Paarung anbietet, schon längere Zeit mit einem Männchen gebalzt haben und ist wahrscheinlich von ihm begattet worden.

Übertragung auf den Menschen

Die Soziobiologie überträgt das Darwinsche Prinzip auf das Verhalten des Menschen, wobei es aber nicht darum geht, tierisches Verhalten kritiklos auf menschliches Verhalten anzuwenden. Geht man jedoch davon aus, dass sich das menschliche Verhalten im Verlauf der letzten 5 Millionen Jahre auf genetischer Grundlage entwickelt hat, so hat Angeborenes einen festen Platz in uns. Die menschliche Kulturgeschichte im engeren Sinne ist wesentlich jüngeren Datums. Wenn man die Zeit vom Übergang der Jäger und Sammler zur Sesshaftigkeit in Betracht zieht, reichen 10000 Jahre aus. Hat sich in dieser doch recht kurzen Epoche noch ein genetischer Wandel vollzogen? Soweit wir sehen können, ist das nicht der Fall. Umso interessanter ist es herauszufinden, welchen Anteil Angeborenes und Erworbenes bei uns haben und Eigennutz als Motiv menschlichen Handelns eine Rolle spielt. Dies ist im Übrigen keine neue Beobachtung. In der "REPUBLIK" des PLATO diskutiert SOKRATES mit GLAUKON, ob das Selektionsprinzip auch für den Menschen Gültigkeit habe. "Und wenn man bei der Zucht keine Sorgfalt walten ließe, dann würden deine Hunde und Vögel sich verschlechtern?" "Sicherlich." "Und ebenso Pferde und Tiere ganz allgemein?" "Zweifellos." "Guter Himmel! Mein lieber Freund," sagte ich, "welch vollkommene Begabung werden unsere Regierenden brauchen, wenn dasselbe Prinzip auch für die menschliche Art gilt." "Selbstverständlich gilt dasselbe Prinzip...." Ähnliches Entsetzen rief Darwins Lehre (1809-1882) hervor, die die Sonderstellung des Menschen in den christlichen Religionen in Frage stellt. So soll die Frau des Bischofs von Oxford, Wieberforce, zur Abstammung des Menschen von affenähnlichen Vorfahren gesagt haben: "Um Himmels Willen, vom Affen abstammen! Gott gebe, dass dies nicht wahr ist. Und wenn es wahr ist, dann lasst uns beten, dass es nicht bekannt wird." Und auch heute fühlt sich der Mensch ernüchtert durch die Fortschritte in der Molekularbiologie, durch die zunehmenden Erkenntnisse in den Naturwissenschaften und wenn, was wir hier tun, die Theorie des Darwinismus auf das Sozialverhalten des Menschen übertragen. So bezeichnet der englische Biologe DAWKINS (1978) in seinem Buch "Das egoistische Gen" das Individuum als eine "eigennützige Maschine, die so programmiert ist, dass sie das tut, was immer für ihre Gene als Gesamtheit am besten ist." Es wird gezeigt, dass in unserem Verhalten Antriebe fortwirken, die die Freiheit des menschlichen Verhaltens erheblich einschränken. Es ist allerdings umstritten, ob menschlicher Eigennutz allein auf genetischen Programmen beruht. Menschliches Verhalten und das hochentwickelter Tiere wird auch stark von tradierten Programmen bestimmt. Und diese enthalten eventuell eine eigene Form von Eigennutz. So könnten kulturelle Praktiken, die über Generationen die genetische Fitness ihrer Träger vermindern, zur Folge haben, dass der Anteil der entsprechend großzügigen Gene in der Gesamtbevölkerung zurückgeht. Genug der Theorie. Untersuchen wir die eingangs vorgestellten Beispiele mit aller Vorsicht.

Nächstenliebe

Beim Menschen sind langes Erinnerungsvermögen und die Fähigkeit, Individuen zu erkennen, gut entwickelt. Wir müssten daher erwarten, dass der gegenseitige Altruismus bei der Entwicklung des Menschen eine bedeutende Rolle gespielt hat. Das Prinzip "Wie du mir, so ich Dir" oder auch reciprocal altruism genannt, ist bekannt und bewährt: siehe Dorfgemeinschaft, Nachbarschaftshilfe, Pannenhilfe, Hilfe bei Katastrophen, Spicken und Spicken-lassen, Altenhilfe, die sozialen Berufe! Allerdings weiß jeder, gibt es keine Gesellschaft der nur Guten. Nach unserem Evolutionsmodell treten immer wieder raffinierte Betrüger auf, bei denen es so aussieht, als revanchierten sie sich, die aber durchweg etwas weniger zurückzahlen als sie erhalten. Und es ist möglich, dass sich das vergrößerte Gehirn des Menschen und seine Veranlagung für mathematisches Denken als ein Mechanismus immer ausgefalleneres Betrügens und immer scharfsinnigeren Erkennens von Betrug bei anderen herausgebildet hat. Den faszinierenden Spekulationen, welche der Gedanke des wechselseitigen Altruismus heraufbeschwört, wenn wir ihn auf unsere eigene Spezies anwenden, ist kein Ende gesetzt.

Mutterliebe

Nach der soziobiologischen Theorie wird die Mutter als eine Maschine betrachtet, die so programmiert ist, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tut, um Kopien der in ihr enthaltenen Gene zu vererben. Dabei ist der Elternaufwand definiert als jede beliebige Investition seitens des Elters in einen einzelnen Nachkommen, welche die Überlebenschancen und daher auch den Fortpflanzungserfolg dieses Nachkommen (auf Kosten der Fähigkeit des Elters in andere Nachkommen zu investieren,) vergrößert. Der Elternaufwand kann die Frage betreffen: Wie viele Kinder? Es geht um eine optimale Kinderzahl, die Ressourcen müssen berücksichtigt werden. Eine zweite Frage stellt sich: Sollte eine Mutter Lieblingskinder haben? Genetisch gibt es keinen Grund! Aber: Wir haben gehört, dass ein zu klein geratenes Junges eine geringere Lebenserwartung hat und benachteiligt wird, wenn die Investition zu groß wird. Wir haben auch gehört, dass bei haremsbildenden Tieren bei Wechsel des Harems die Jungen des Vorgängers getötet werden. Wie ist das beim Menschen? Beim Menschen ist aktive Kindstötung aus über der Hälfte von 57 genau untersuchten Sozietäten bekannt. Auch im christlichen Europa war Infantizid um 1800 verbreitet, so dass die Strafverfolgung sich durch Definitionen aus der Affaire zu ziehen suchte. Ein Kind galt nicht als selbstlebend, solange es nicht vom Kreislauf der Mutter getrennt war. Getötet wurden kranke oder überzählige Kinder. Ausgeführt wird der Infantizid fast ausschließlich von der Mutter oder einer geburtshelfenden Frau. Und fast alle Begründungen, die genannt wurden, laufen auf einen dadurch erzielten Vorteil für die Frauen hinaus. Genauer untersucht hat das VOLAND durch Auswerten der sorgfältig geführten Kirchen und Ortssippenbücher ostfriesischer Gemeinden vom 17.-19. Jh. Dort trat der frühe Kindstod nicht schicksalhaft egalitär auf, sondern traf bevorzugt Kinder, die dem weiteren Lebenserfolg der Eltern im Wege standen. Der Tod wurde sozial induziert, oft wohl durch gezielte Vernachlässigung. So war das Sterberisiko für Halbwaisen ohne Vater, wenn sie das erste und bis dahin einzige Kind der Mutter waren, doppelt so hoch wie das gleichalter Halbwaisen, die schon Geschwister hatten. Von der Genselektion her ist das verständlich: Das einzige Kind zu verlieren eröffnete jungen Witwen bessere Aussichten auf eine Wiederheirat. Kinderreiche Witwen dagegen hatten kaum Heiratsaussichten und widmeten sich dann voll und erfolgreich ihren Kindern.

Gottesliebe

Dawkins entwickelt analog zum Gen das sogenannte Mem, die Einheit der kulturellen Vererbung. Meme verbreiten sich im Mempool, indem sie von Gehirn zu Gehirn springen und sich so vermehren. Betrachten wir die Idee Gott. Sie ist sehr alt und repliziert sich durch das gesprochene und geschriebene Wort, unterstützt von Musik und Kunst. Die große psychologische Anziehungskraft ergibt sich daraus, dass einleuchtende Antworten auf unergründliche und beunruhigende Fragen über das Dasein gegeben werden. In vielen Kulturen hat es eine matriarchalische Phase der Religionen gegeben, die der patriarchalischen vorausging. Alle Menschen sind gleich, weil sie Kinder einer einzigen Mutter Erde sind. Dann folgt die patriarchalische Phase. Die Mutter wird entfernt, der Vater wird zum höchsten Wesen und zwar sowohl in der Religion als auch in der Gesellschaft. Wesentlich bei der Liebe des Vaters ist, dass sie Forderungen stellt. Am liebsten hat er jenen Sohn, der ihm am meisten ähnelt, der am gehorsamsten ist und der am geeignetsten scheint sein Nachfolger als Erbe seines Besitzes zu sein. Die Entwicklung der patriarchalischen Gesellschaft läuft parallel mit der Entwicklung des Privateigentums. Ein Buch, das ich in den Weihnachtsferien gelesen habe, nähert sich dem Thema Gottesliebe auf mitreißende Art und Weise. Es handelt von dem berühmten Kirchenvater Augustinus, der jahrelang eine Frau namens Floria liebte und deren Beziehung ein gemeinsamer Sohn entsprang. Über 12 Jahre dauerte diese außergewöhnliche Liebesbeziehung, bis sich Aurel- so hieß er nicht getauft- gegen Floria und für die Liebe zu Gott entschied. In einem Brief von Floria an Augustinus ( ob der Brief nun fiktiv ist oder tatsächlich von Floria stammt, ist in diesem Zusammenhang unwichtig) steht: "Dein größtes Vergehen damals war nicht, eine Frau körperlich zu lieben, in dieser Hinsicht warst du nicht besser und nicht schlechter als die meisten anderen. Deine schändlichste Sünde war, zu allem Überfluss, auch noch Evas Seele zu lieben.....Und dann gehst du hin und verkaufst mich um deines Seelenheils willen. Welche Treulosigkeit, Aurel, welche Schuld.... Ich glaube nicht an einen Gott, der das Leben einer Frau zerstört, um die Seele des Mannes zu retten.... Du hattest entsetzliche Angst, deine Seele könne verloren gehen. Du hast geglaubt, ich bände dich an die Welt der Sinne und deshalb könntest du dich nicht auf dein Seelenheil konzentrieren. Du liebtest dein eigenes Seelenheil mehr als mich."

Erotische Liebe

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Abb. 7 Bild: Titel von Sociobiology- sense or nonsense?

Soziobiologische Betrachtungsweise: Liebe ist Egoismus! Wir erinnern uns: Es gibt einen Interessenkonflikt zwischen Eltern und Kindern, die 50 % ihrer Gene gemeinsam haben. Wieviel ernster muss der Konflikt zwischen Gatten sein, die ja nicht miteinander verwandt sind? Die Tatsachen sprechen für diesen Konflikt.

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Abb. 8 : Titel Spiegel: Passen Männer und Frauen überhaupt zusammen?

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Abb. 9: Eine heutige Ehe hält durchschnittlich 3973 Nächte!

Was hat Ehe mit Liebe zu tun, fragt sich mancher. "Ehe tötet die Liebe" oder ähnliche Nullaussagen! Oder dann wieder wertet man Vernunftehen (wie sie früher häufig waren) ab und stellt sie der Liebesheirat gegenüber, so als ob diese weit über der anderen stünde, weil es besonders unvernünftig in ihr zuginge. Aber dennoch werden die meisten Ehen heute doch aus Liebe geschlossen und in den meisten Fällen sind Kinder mit eingeplant. Wie kommt es nun zum Konflikt? Wir erinnern uns kurz: Zwar besteht ein gemeinsames Interesse an den Nachkommen, aber der biologisch begründete Egoismus führt auch zum Versuch des Betrugs. Der Gedanke, dass ein Weibchen im Tierreich die Kopulation verweigert, bis ein Männchen einige Anzeichen langfristiger Treue erkennen lässt, lässt vielleicht vertraute Saiten bei uns anklingen. Demzufolge dürfen wir vermuten, dass bei den Menschen die Frauen eher die Strategie der trauten Häuslichkeit als die des Vollblutmannes anwenden. Und in der Tat sind die meisten menschlichen Gesellschaften monogam, denn in der menschlichen Gesellschaft ist der Elternaufwand beider Eltern groß. Auf der anderen Seite gibt es einige wenige menschliche Gesellschaften, in denen Promiskuität herrscht und andere, die auf der Institution Harem beruhen. Diese erstaunliche Vielfalt lässt vermuten, dass die Lebensweise des Menschen in einem hohe Maße von der Kultur und weniger von den Genen bestimmt wird. So hängt die bei wenigen Völkern vorkommende Vielmännerei mit einer begrenzten Bodenfläche zusammen. In Tibet z.B. kommt sie nur sehr selten bei Unfruchtbarkeit des Bodes vor: Die Ernte reicht, wenn die Brüder zusammenleben; würden sie jedoch getrennte Familien bilden, dann würden sie zu Bettlern herabsinken. Wo Frauenmangel herrscht, besitzen mehrere Männer eine Frau gemeinsam, weit umherstreifende Jäger haben an verschiedenen Orten Anrecht auf eine andere als die eigene Frau (Eskimos). In keinem Fall aber ist das Sexualleben ungeregelt und insgesamt kann man sagen, dass beim Menschen bei den Männern die Tendenz zur Promiskuität, bei den Frauen die Tendenz zur Monogamie vorherrscht.

Vorstellung eines Beispiels Ich berichte über ein Buch von Salim Alafenisch: Die acht Frauen des Großvaters. Der Zuhörer kann selbst seine soziobiologischen Kenntnisse nun anwenden. Die Geschichte handelt von den acht Frauen des Großvaters des Erzählers, Dieser Großvater war ein mächtiger Beduinenscheich im Negev. Er ist reich und hat alle Mittel, jeder der acht Frauen ein eigenes Zelt für sich und ihre Kinder zur Verfügung zu stellen. Der Großvater ist gutaussehend und tapfer. Er verliebt sich als Jugendlicher in seine Cousine Aischa und sie in ihn. So wird sie seine erste Frau. Unglücklicherweise kann sie keine Kinder bekommen und gerät immer mehr unter den Druck ihrer Schwiegermutter. Ihr Mann, der Großvater, verspricht ihr auch zunächst, keine andere zu heiraten doch dann macht ihm Aischa selbst den Vorschlag, eine zweite Frau zu heiraten, um Nachkommen zu haben. Sie versprechen sich allerdings weiterhin Liebe. Als der Großvater aber dann um die zweite Frau Fatima wirbt, ist Aischa trotz der Liebeschwüre ihres Mannes todunglücklich und bricht bei der Hochzeit fast zusammen. Fatima ist ebenfalls eine schöne Frau und wird bald schwanger. Sie bringt aber im Laufe der Jahre nur Mädchen zur Welt. So kam es, dass Aischa eines Tages zu ihrem Vetter sagt: "Du bist in deinem Frühlingsalter! Und reich bist du auch. Es gibt viele Frauen, die dich zum Manne wünschen. Eines Tages kommt das Brautkamel zu deinem Zelt und holt deine Töchter, eine nach der anderen. Söhne musst du haben. Sie bleiben bei dir...." Aber Fatima ist nicht so leicht zu beruhigen, als ihr Mann ihr von seiner Absicht erzählt, eine dritte Frau zu heiraten und der Großvater findet nächtelang keine Ruhe, weil er beide Frauen im Zelt besucht. Die dritte Frau, weniger ansehnlich als die ersten beiden, bringt aber immerhin drei Söhne und eine Tochter zur Welt. Es scheint nun nicht mehr so wichtig zu sein, dass noch 5 andere Frauen folgen. Der Großvater, einmal auf den Geschmack gekommen, verliebt und verheiratet sich, trotz der Einwände seiner Frauen. Interessant ist eine Literaturstelle, in der der Großvater um seine sechste Frau wirbt. Eine Heiratsvermittlerin im Gespräch mit Abla, der 6. Frau. Abla: "Du meinst den großen Mann mit dem Dolch?" "Sein Herz ist bei dir." Abla: "Hat er nicht viele Zelte? (Frauen!)" "Er hat viele Zelte, aber er hat auch viele Münzen. Manche Männer taugen nicht einmal für eine Frau!" erwiderte die Alte. Wir stellen fest: Es herrscht eine geregelte Polygamie. Voraussetzung ist Reichtum, die Polygamie ist somit kulturell und ökonomisch bedingt. Der Mann hat damit keine Probleme. Die Frauen sehen es nicht gern, wenn der Großvater immer wieder heiratet, es gibt Streit und Eifersucht, allerdings sind sie (wie im Tierreich) eher die Zweit- oder Drittfrau bei einem starken, reichen (a)-Mann als die einzige bei einem unterprivilegierten.

Was bindet uns Menschen? Wir haben gesehen, welchen Einfluss die ökologischen und kulturellen Faktoren auf die Struktur der Sozität und der Familie haben. Unser Sittengesetz hat dem Menschen die Einehe und die Familie als verbindliche Lebensform gesetzt. Dauermonogame Arten sind schon im Tierreich von Vorteil. So werden Arteigentümlichkeiten bewahrt und Bastardisierungen vermieden. Wenn Partner gut aufeinander abgestimmt sind - dies gilt im Tierreich und im menschlichen Bereich - so wird einer meist gerade das tun, was der andere "erwartet" hat. Es gibt Hinweise darauf, dass das Zentralnervensystem zuweilen nach Zuständen strebt, in denen das Geschehen von der Erwartung möglichst wenig abweicht, als gelte es, einen bestimmten inneren Zustand möglichst konstant zu halten. Tiere und auch die Menschen ziehen einen Partner vor, der ihre Erwartung möglichst genau erfüllt. So kann man sich vorstellen, dass über eine Art "Sparsamkeitsschaltung" im Nervensystem wechselseitige Abstimmung eine Bindung der Partner hervorbringt. Und jetzt kommt eine wichtige Tatsache: Partnerbindung und Sexualität dienen nicht - wie es häufig als Meinung vertreten wird- ausschließlich der Erzeugung von Nachkommen. Schon in der außermenschlichen Natur kann man sehen, dass Sexualität, Fortpflanzung und Partnerbindung verschiedene Aufgaben erfüllen und alle voneinander trennbar sind. Der Annäherung und dem Zusammenhalt der Geschlechtspartner dienen Signale aus dem Brutpflegebereich und auch sexuelle Signale, die sekundär sozialbindende Funktionen erhalten. Und auch die Kopula hat partnerbindende Funktion. Dies gibt vor allem dann, wenn die Erzeugung von Nachkommen unterbleibt oder nicht mehr möglich ist. Ich stelle einige bindende Mechanismen vor: Die Bewohner des Hinterzillertals in Tirol kauten in früheren Zeiten Harz. Die Burschen boten ihren Mädchen davon an.

Gerade beim Menschen spielt die Bindung der Geschlechter über das sexuelle Verhalten eine außerordentliche im Tierreich einzig dastehende Rolle. Durch die lange Jugendentwicklung müssen die Kinder lange betreut werden und für die arbeitsteilige Hilfe benötigt die Menschenfrau den Mann, den sie für lange Zeit emotionell an sich binden muss. Die Bindung über die Sexualität bietet sich an, denn die Menschenfrau ist die meiste Zeit sexuell erregbar. Dies und die sexuelle Potenz des Mannes bis ins hohe Alter ist phylogenetisch neu und wird manchmal abwertend als Hypersexualisierung bezeichnet. Doch hat sie eine partnerbindende Funktion und ist von der Funktion der Fortpflanzung getrennt. Evolutionsbiologisch ist sie sinnvoll und ist selbst bei Tieren zu beobachten, die monogam leben und infertil werden. Diese Tatsache, dass Sexualität im Dienste der Partnerbindung steht, beinhaltet als Voraussetzung ein partnerschaftliches Verhältnis, also Liebe als individualisierte Bindung. ein ständiger Partnerwechsel widerspricht dem. Sich verlieben heißt, mit einem ganz bestimmten Partner das Band zu knüpfen. Und dieses Bedürfnis ist Teil unserer Natur. Wir sind in diesem Sinne für Dauerpartnerschaften ehelicher Art angeborenermaßen disponiert, wenn auch die Eheform, wie oben dargelegt, kulturell abhängig ist. Doch eine generelle Entwicklung zur Monogamie ist festzustellen. Und dabei werden die erwähnten Bindungsmechanismen immer wichtiger, um den Egoismus zu überwinden.

Was ist nun mit der romantischen Theorie der Liebe? Es ernüchtert doch sehr, alles durch die Brille der Soziobiologie zu betrachten! Es soll hier keineswegs in Abrede gestellt werden, dass die Gefühle der Liebe wundervoll und überwältigend sind! Die Liebe scheint den Menschen von außen zu überfallen (falling in love) und ihn dermaßen zu ergreifen, dass er meint, eine lebenslange, monogame Sexualbeziehung und eine Familie bewältigen zu können. Diese hinreißende Theorie der Liebesentstehung bricht indessen plump zusammen, wenn man sich eingesteht, dass der Mensch gerade im Bereich der Sexualität noch sehr der Biologie verhaftet ist und dass mit raffinierten chemischen Vorgängen im Gehirn sogar unser Wahrnehmungsvermögen manipuliert wird. Der Reigen chemischer Reaktionen (Unterstützung durch Pheromone)geht von - Paradieren (Aufreißen) zu - Blickkontakt und Anlächeln - zum Putzgespräch (Eigendarstellung) - schließlich zur Berührung - bis zum Gleichtakt der Bewegungen und der Atmung Die Verliebtheit kann folgende Merkmale haben: - Tagträume - Idealisierung - Hoffnung - Angst und Ungewissheit - Schlaflosigkeit und Verzweiflung - Konzentrationsunfähigkeit - Willenlosigkeit - körperliche und geistige Schwächeanfälle Die Liebe schafft eine Verengung des Seelenlebens und hat- unterstützt durch die Botenstoffe Dopamin und Serotonin - eine gewisse Ähnlichkeit mit den Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen bei Schizophrenen! Nietzsche hatte die Liebe als selbstüchtigen Genuss des eigenen, schmeichelhaft selbstgemachten Spiegelbildes, als Selbstanbetung, Ortega y Gasset den Zustand der Verliebtheit als "eine Art vorübergehenden Schwachsinns" bezeichnet. Das chemische Doping der Verliebtheit wird von den meisten Menschen als außerordentliches Glücksgefühl wahrgenommen. Wenn nun alles klappt, mündet diese Phase in eine stabile Beziehung, in der durch Phenyläthylamine (PEA) aufgeputschte Hochgefühl der Verliebtheit in eine Zuneigungs- und Geborgenheitsphase überführt wird. In dieser Phase bekommt der Körper endogene Morphine (Endorphine), die beruhigend, angsthemmend und sogar schmerzstillend wirken. Soweit, so gut.

Warum wird nun ein neuer Partner gesucht? Wieso strebt der Mensch einerseits nach Sicherheit (auch am Arbeitsplatz...) in Ehe und Familie und geht dann doch immer wieder erstaunliche Risiken ein, vor allem dann, wenn die Sicherheit über längere Zeit andauert, wenn die Endorphine ihre Wirkung verlieren. Man ist bereit, einen Seitensprung zu wagen. Dabei hat man festgestellt: Je größer die Sicherheit, desto größer das Risiko. Zudem werden die Reize künstlich raffiniert erhöht. Nicht nur der neue Partner ist reizvoll, sondern auch die Umstände der Begegnung: im Büro , im Auto, im Wald. Die Hormone spielen wieder verrückt, die Gefühle des Verliebtseins setzen ein, man ist glücklich. Aber machen solche Tauschvorgänge wirklich glücklich? Wir wissen aus dem Märchen "Hans im Glück", dass Hans nach jedem Tausch zunächst wirklich glücklich ist, obwohl er ja objektiv gesehen, unvorteilhaft getauscht hatte und seinen Vermögensstatus ständig verschlechterte. Untersuchungen haben ergeben - und das deckt sich mit den Ergebnissen der Soziobiologie-, dass die männlichen Ansprüche an neue weibliche Partnerinnen nicht allzu hoch sind im Gegensatz zu den Frauen, die weitaus wählerischer sind. Dieses Wissen kann uns möglicherweise in Situationen helfen, in denen die Liebe zu einem Partner gefährdet ist. Nicht nur Biologen, sondern auch Soziologen und Psychologen geben zu, dass unsere ständige Glückssuche uns anfällig macht für Untreue und damit eine Beziehung ernsthaft gefährdet. Zudem malen die Medien Liebeshorizonte, die nicht annähernd verwirklicht werden können.

Hier möchte ich einen Bogen schlagen zu den Gruppen, die sich mit berühmten Liebespaaren befassen und nur zwei herausgreifen, um die provokante These "Liebe ist Egoismus" anzuwenden. Gloria Swanson und Joe Kennedy Man erinnert sich: Joe Kennedy, der Vater von J.F. Kennedy, der mit seiner Ehefrau Rose elf Kinder hatte, hatte sein Leben unzählige außereheliche Affairen, darunter eine langandauernde mit Gloria Swanson, einer Schauspielerin. Ich zitiere aus dem Buch: "Finanziell richtete er sie zugrunde. Sein Beischlaf war flink und routiniert. Das fiel ihr gleich beim ersten Mal auf. Auf diesem Gebiet konnte sie vergleichen. Doch da hatte sie ihm die Vollmacht über ihre sämtlichen Geschäfte längst erteilt. Von der wirtschaftlichen bis zur körperlichen Auslieferung dauerte es nur wenige Wochen. Als sie sich wieder anzog, hatte sie das Gefühl, diesem Mann nach diesem einzigen Mal mehr zu gehören als ihrem Ehemann. Doch an einer Scheidung waren beide nicht interessiert. Weder an der eigenen noch an der des anderen. Gloria Swanson und Joseph P. Kennedy waren überzeugte Ehebrecher, die aus dem neuen Partner sexuell und finanziell das Maximum herauszuholen gedachten. Verliebt waren sie auch. Das machte ihre Affaire besonders angenehm...." Tristan und Isolde als klassisches Liebespaar der mittelhochdeutschen Literatur Tristan fährt für König Marke nach Irland und besteht zahlreiche Abenteuer und Kämpfe. Er wirbt für König Marke um Isolde. Aber nun verlieben sich Isolde und Tristan nach einem Zaubertrank ineinander. Dennoch wird Isolde König Markes Frau. Nun werden in der deutschen Literaturgeschichte Tristan und Isolde als erstes Liebespaar bezeichnet, das im Namen einer höheren Moral gegen die Gesetze der höfischen Gesellschaft verstieß. Doch woraus bestand ihre Liebe? Ich zitiere: "Das Sehnen beider war nur auf den anderen gerichtet und nach der ersten Nacht war das Band, das dadurch ihre Herzen aneinander fesselte, so stark, dass keine Kraft der Welt es mehr zerreißen konnte." Die Liebe bestand in nichts weiter als im heimlichem Zusammensein mit dem Geliebten. Königin Isolde geht sogar soweit, einen Mordanschlag auf ihre beste Freundin zu planen, da sie als einzige von dem Geheimnis wusste. Die Beziehung zwischen Tristan und Isolde bekommt ein selbständiges Recht zu existieren, auch wenn sie aus dem Unrecht emporgetaucht ist. Sie muss weiter existieren und sogar Gott wird durch einen schlitzohrig formulierten Treueschwur betrogen. Isolde besteht ein Gottesurteil am heißen Eisen und Gottfried von Straßburg, der das Epos verfasste, verstärkt dieses unerhörte Geschehen durch eine überaus zynische Bemerkung: "So wurde offenbar gemacht, der ganzen Welt wahr erwiesen, dass der allmächtige Jesus Christ drehwendig wie ein Ärmel ist." Wodurch wird diese Liebesgeschichte so groß? Isolde und Tristan sehen nur sich, für einen Dritten ist kein Platz . Die Frage "Isolde heiraten" taucht auch in diesen Gedankengängen gar nicht erst auf. Erich Fromm bezeichnet diese Ausschließlichkeit als gemeinsamen Egoismus. Erfüllte Leidenschaft in Form einer langjährigen Partnerschaft gehört nicht in unser irdisches Erfahrungsmuster. Deshalb ist die Literatur zwangsläufig voll von Personen, die erst richtig lieben dürfen und dann auch richtig sterben müssen.

Liebe als Egoismus kann überwunden werden! Liebe ist Altruismus!

Das Meiste, was in dieser Abhandlung an soziobiologischen Thesen vorgestellt wurde, wirkt möglicherweise zynisch und Vieles mag schmerzlich sein für Menscheneltern und Ehepartner, die in inniger Zuneigung an ihren Kindern und aneinander hängen. Keinesfalls sollte Verhalten ethisch bewertet werden. Tierisches Verhalten zum Vergleich heranzuziehen, heißt nicht, es mit den menschlichen Begriffen gut oder böse zu belegen. Die Biologie liefert keine Normen, sie sucht Antworten auf die Frage nach den Ursachen des Verhaltens, nicht auf die Frage nach dem Sinn des Handelns. Ob etwas in der Natur vorkommt oder nicht, gibt uns keinen Hinweis darauf, ob der Mensch es darf oder nicht. Und auch DAWKINS, der Autor des Buches: "Das egoistische Gen" schließt versöhnlich sein Buch: "Selbst wenn der einzelne Mensch im Grunde egoistisch ist, könnte uns unsere bewusste Voraussicht - unsere Fähigkeit die langfristigen Vorteile der ' Verschwörung der Tauben' zu erkennen, helfen. Wir haben die Macht, den egoistischen Genen unserer Geburt und, wenn nötig, auch den egoistischen Memen unserer Erziehung zu trotzen. Wir sind als Genmaschinen gebaut und werden als Memmaschinen erzogen, aber wir haben die Macht, uns unseren Schöpfern entgegenzustellen. Wir allein, einzig und allein wir auf der Erde, können uns gegen die Tyrannei der egoistischen Replikatoren auflehnen. Wenn wir für den Menschen eine Moral daraus ziehen, dann die, dass wir unsere Kinder zur Selbstlosigkeit erziehen müssen, denn wir können nicht damit rechnen, dass Selbstlosigkeit zu ihrer biologischen Natur gehört." Das Wissen um unsere Abhängigkeiten eröffnet uns also Chancen, diese zu überwinden. Näher möchte ich mich mit den Abhängigkeiten befassen, die die erotische Liebe gefährden. So ist es sehr bequem zu behaupten, dass die Liebe als externer Einfluss, als Göttergewalt den Menschen heimsucht, quasi krankhaft befällt, weil damit die Entschuldigung mitgeliefert wird, dass dieses Schicksal unentrinnbar ist, weshalb die von Liebe Befallenen im Grund gar keine Schuld trifft. Die Untreue erscheint damit als natürliches, leider unvermeidbares Ereignis, unsere Passionen werden einfach zur unabwendbaren Folge der Entschlüsse des Schicksals stilisiert. Wir müssen uns weiter vor Augen halten: Der Käfig, den wir uns selbst so überaus erfolgreich aus den Gittern und Bausteinen unserer Sehnsüchte aufbauen, wird um so bedrückender, je stärker wir unseren Horizont beschränken. Eine dieser Verengungen besteht in der Erwartung, dass wir glücklich sein müssen, um Erfüllung zu finden. Zu dieser Glückserwartung kommt häufig erschwerend dazu, dass Glück in hohem Maße von der Liebe, im Extrem sogar nur von der Sexualität erwartet wird. Solche Verkürzungen sind nicht so selten, wie man vielleicht auf den ersten Blick erwarten könnte. Heutige Partnerschaften können sich im Alltag oft nur schwer entwickeln, sind oft durch die Arbeit belastet. Andere Glücksbringer sind meist stark begrenzt: Nicht jeder wird reich und kann exzessiven Luxus als Glück ausprobieren; nicht jeder hat einen Beruf, in dem er befördert werden oder Erfolgserlebnisse verzeichnen kann. Und so konstruiert sich mancher, meist unreflektiert, eine verkürzte Glücksbahn für sein Leben: Ich muss auf jeden Fall glücklich werden, ich suche dieses Glück in der Liebe und im Sex, und diese Liebe, die mein ganzes Leben glücklich und heiter machen soll, erwarte ich von meinem Partner. Das Glück pervertiert damit zur Leistung, die ein anderer für mich zu erbringen hat. Wenn sich das Glück partout nicht einstellen will, werden wir enttäuscht und meinen vorwurfsvoll, der Partner habe versagt. Dann drängt sich die Schlussfolgerung auf: Es muss mit einem neuen Partner versucht werden, das Glück zu zwingen, die alte Partnerschaft wird aufgekündigt. Was können wir nun tun? Wie können wir an einer Liebesbeziehung arbeiten? Was ist für den Bestand einer Partnerschaft wichtig? Für den Bestand einer Partnerschaft zwischen Mann und Frau (und genauso gilt dies für homoerotische Beziehungen) sind vermutlich ganz andere Eigenschaften wichtig als die Sexualität. Es sind: - Verständnis für den anderen - gleiche Denkstrukturen und Interessen - Einfühlungsvermögen - Bindungsfähigkeit - der Wille zum Finden und Einhalten von Kompromissen - Toleranz - im schlimmsten Fall sogar Akzeptanz vorübergehender Untreue. Denn es muss uns klar sein, dass Treue eine hervorragende geistige Leistung ist, das Aufbringen lebenslanger sexueller Treue ein Akt der Hochkultur ist, der nur unter großen Mühen mit eiserner Selbstdisziplin erbracht werden kann. - Und dabei ist auch die Übereinstimmung der Glückserwartung der wichtigste Teil der Basis, auf der eine Beziehung entwickelt werden kann. - Wie alle Erfahrungen zeigen, ist es für die Stabilität und Dauerhaftigkeit einer Beziehung äußerst wichtig, ständig und ununterbrochen ein hohes Zuwendungsniveau aufrechtzuerhalten. Man muss sich also stets um den Partner bemühen und seine Aufmerksamkeit auf ihn richten. Dies setzt aber eine eigenständige Persönlichkeit voraus. ERICH FROMM beschreibt die wahre erotische Liebe wie folgt: "Die erotische Liebe ist das Verlangen nach vollständiger Vereinigung, nach Verschmelzung mit dem anderen... In der Sexualität wird die Getrenntheit überbrückt. Liebe ist in erster Linie ein Geben und kein Empfangen. Es bedeutet Verantwortlichkeit und Respekt. Für die wahre Liebe ist Objektivität, Demut und Vernunft wichtig. Der Glaube an sich selbst, ein Identitätsgefühl, ist Voraussetzung für die Fähigkeit zu versprechen, treu zu sein... Wäre Liebe nur ein Gefühl, gäbe es keine Basis für das Versprechen, einander immer zu lieben..." Und moderne Psychologen betonen immer wieder, dass wir selbst zum großen Teil für unsere Liebe verantwortlich sind. Danach ist Liebe etwas, das vom Menschen produziert wird. Emotionen dringen nicht nur von außen auf den Menschen ein, sondern werden vom Individuum selbst herbeigeführt oder konditioniert.. Das bedeutet, dass beispielsweise Liebe empfunden wird, wenn Liebe benötigt und dieser Bedarf in ein seelisches Klima eingebracht wird, das den Betreffenden zum Lieben bringt. Liebe ist nach modernem Verständnis nicht mehr der Blitzschlag von oben, sondern das Ergebnis eigener Bemühungen.

Im Januar 2000 Dr. Angelika Weiß-Merklein


Literatur:

  • Alafenisch, Salim: "Die acht Frauen des Großvaters", Zürich 1989
  • Bruyn, Günter de, neu erzählt von: "Tristan und Isolde", Frankfurt 1999
  • Cube, Felix von: "Gefährliche Sicherheit", Stuttgart und Leipzig 1995
  • Dawkins, Richard: "Das egoistische Gen", Berlin, Heidelberg und New York 1978
  • Eibl-Eibesfeldt, Irenäus: "Liebe und Hass", München 1971
  • Frank, Joachim: "Treue", Hamburg 1996
  • Fromm, Erich: "Die Kunst des Liebens", Frankfurt 1971
  • Gaarder, Jostein: "Das Leben ist kurz - Vita brevis", München 1999
  • Ruse, Michael: "Sociobiology - Sense or nonsense", London 1979
  • Schröder, Thomas: "Berümte Liebespaare", Frankfurt und Leipzig 1997
  • Vogt, Hans-Heinrich: "Der lange Weg der Sociobiologie", aus "Naturwissenschaftliche Rundschau 10/1999", S. 391 ff
  • Wickler, Wolfgang: "Die Biologie der Zehn Gebote", München 1971
  • Wickler, Wolfgang und Seibt, Uta: "Das Prinzip Eigennutz", München 1991



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