Geschichte einmal anders: Jugend in der NS-Zeit

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Wie sah eigentlich das Leben eines Teenagers während der NS-Zeit aus? Und wie verlief ein normaler Schultag im 3. Reich ? Machte es den Jugendlichen eigentlich Spaß in die Hitlerjugend zu gehen? Wussten sie wirklich nichts von der Judenverfolgung und den KZs? Fielen auch in Bamberg Bomben während des Krieges?

Dies waren alles Fragen, die auftauchten während unseres Geschichteunterrichts auftauchten, aber auf die wir in unserem Schulbuch keine Antwort fanden.

Frau Behr, unsere Grundkursleiterin, kontaktierte hierfür Herrn Biebl, den Leiter des Seniorenwohnheims Franz-Ludwig und arrangierte ein Treffen mit Zeitzeugen der Hitlerzeit, um unsere Fragen zu stellen.

Begeistert von der Idee bereiteten wir schon im Unterricht den Ablauf des Treffens vor uns überlegten uns, was wir genau wissen wollten und, wie wir besonders einfühlsam auf die Senioren eingehen können.

Neugierig machten wir uns anschließend auf dem Weg ins Altenheim, wo wir freundilch in Empfang genommen wurden. In Gruppen aufgeteilt trafen wir unterschiedliche Personen, das Ehepaar L sowie die drei Damen, Frau M, Frau Z und Frau K. Wir trafen dort auch auf unterschiedlichste Meinungen und Reaktionen, die wir in Protokollen festhielten und hier kurz zusammenfassen werden:

Bericht der Gruppe 1

Unsere Gruppe unterhielt sich mit zwei älteren Frauen: Frau Z und Frau M. Frau Z wurde 1924 in Frankfurt am Main und Frau M 1926 in Freienfels geboren. Bei der Machtergreifung Hitlers waren sie 13 und 15 Jahre alt - sogar noch jünger als wir jetzt sind. Am Anfang unserer Unterhaltung wirkten die beiden Frauen noch sehr zurückhaltend, aber trotzdem freundlich. Schon nach kurzer Zeit wurden sie uns gegenüber immer offener und erzählten uns gerne von ihrer Jugend und ihren Erlebnissen dieser Zeit.

Frau Z, die Hitler einmal sogar persönlich gesehen hatte, lebte mit ihren Eltern in der Stadt. Ihr Vater musste nicht in den Krieg einziehen, hatte jedoch berufliche Probleme, da er nicht in der Partei war. Durch die Krankheit ihrer Mutter, musste sie viel im Haushalt helfen. Aufgrund dieser Tatsachen meinte sie, „keine schöne Jugend erlebt“ zu haben. Es war für uns fast unvorstellbar als sie erzählte, dass der Kochtopf oftmals ins Bett gestellt wurde, da es die einzige Möglichkeit war, die Speisen zu erwärmen. Nach der Schule ging Frau Z, wie es für alle Mädchen dieser Zeit verpflichtend war, zum „Bund deutscher Mädel“, wo man unter anderem gesungen hat und marschiert ist. Im Großen und Ganzen hatte es ihr dort nicht gefallen, aber es gab auch ein paar schöne Erlebnisse. Die Einstellung ihrer Eltern war jedoch gegen Hitlers Politik, was zu Hause ein Anlass für viele Konflikte war.

Nicht ganz so viel verriet uns Frau M, die mit ihrer Familie, sie hatte fünf Schwestern, auf dem Land wohnte und gemeinsam von der Landwirtschaft lebten. Oftmals hatten sie nicht genug zu essen und mussten hungern. Im Zweiten Weltkrieg wurde ihr Vater gegen seinen Willen in den Volkssturm einberufen. Auch ihre Familie war sehr von Hitlers Ideologie abgeneigt und beteiligte sich nicht an politischen Ereignissen, wie viele andere Menschen in Deutschland. Im Kreise der Familie behaupteten die Eltern, dass „der Gauner (gemeint Hitler) ins Zuchthaus“ gehöre, eine Äußerung durch die man in der Öffentlichkeit in größte Schwierigkeit geraten konnte.

Durch Hitlers Veränderungen in Deutschland, durch die es vielen Leuten besser gehen sollte, (Bau der Autobahn, der die Zahl der Arbeitslosen senkte) berichteten uns die Frauen, dass er vom Großteil der Bevölkerung geliebt wurde. Sie selbst sahen das anders, denn sie bekamen mit wie Freunde und Verwandte eines Tages abgeholt wurden. Ein Nachbar von Frau M, der eine Behinderung hatte, wurde zum Beispiel weggebracht und starb, zumindest nach Angaben der Nationalsozialisten, an den Folgen einer „Lungenentzündung“. Doch niemand in Deutschland hatte eine genaue Vorstellung davon, was in Wirklichkeit mit den deportierten Menschen passiert war. Zu ihrer Sicherheit ergriffen einige ihrer jüdischen Bekannten die Flucht nach Amerika. Heute können wir es uns nur schwer vorstellen, in einer Zeit zu leben, in der man sich bei Fliegeralarm in Schutzbunkern zusammen mit sehr vielen anderen Menschen verkriechen musste. Frau M schlimmste Kriegserfahrung war, als sie sich eines Tages während eines Fliegerangriffs auf der Straße aufhielt und sich schnellst möglichst in einen Straßengraben retten musste, um zu überleben.

Schließlich in der Nachkriegszeit änderte sich das Leben sehr. Durch die Niederlage Deutschlands kamen die Amerikaner und es gab endlich wieder genug zu essen. Wir fanden es interessant, dass die amerikanischen Soldaten, meist sehr freundlich zu den jungen Mädels waren und ihnen den „Kopf verdrehten“. Sie schenkten ihnen Obst und sogar Schokolade! Dieser Besuch im Seniorenwohnheim und die Unterhaltung mit den zwei netten Damen war für uns eine sehr aufschlussreiche Erfahrung. Besonders beeindruckend war, dass die Frauen damals etwa in unserem Alter waren und wider Erwarten so offen mit uns über dieses Thema gesprochen hatten. Jetzt können wir uns ein viel besseres Bild über diese sehr grausame Zeit machen.

Bericht der Gruppe 2

Am Exkursionstag hatten wir das Glück, Herrn und Frau L (*1921 und *1925), interviewen zu dürfen, die die Machtergreifung Hitlers und den 2. Weltkrieg hautnah miterlebt haben. Wir waren schon sehr gespannt, wie sie auf die von uns vorbereiteten Fragen reagieren und welche Antworten sie uns geben würden. Wie sich schnell herausstellte, hatte sich Herr L schon im Voraus gut auf dieses Treffen vorbereitet. Aber anstatt auf unsere Frage nach dem Alltag genauer einzugehen, begann er gleich über die politische Situation - damals wie heute – zu referieren. Dazu hatte er sogar einen Zeitungsartikel mitgebracht. Herr L wurde mit 18 Jahren eingezogen und stellte sich als treuen und zuverlässigen Soldat dar. Er schilderte detailliert einige Kriegsverbrechen der Gegner, vorzüglich der Amerikaner und Russen, die Frauen und Kinder gewaltsam gefoltert und als lebende Fackeln benutzt haben sollen. Im Laufe des Gesprächs legte er einige Fakten und Daten zugunsten des Dritten Reiches aus, wobei sich seine politische Richtung deutlich herauskristallisierte. Er erzählte, dass er nach 4 Wochen Kriegsgefangenschaft seine Mutter 1946 in Rattelsdorf wiederfand, wo er auch seine jetzige Frau kennenlernte (Hochzeit 1952). Frau L dagegen kam nur selten zu Wort. Erst nachdem wir sie mehrmals direkt angesprochen haben, konnte sie sich gegen ihren erzählfreudigen Mann durchsetzen und über ihren Alltag in Baunach berichten. Zu Hitlers Machtergreifung 1933 war sie 12 Jahre alt, war aber zu keiner Zeit im BdM. Später zur Kriegszeit arbeitete sie als Hausmädchen bei einem Offizier. Im Gegensatz zu ihrem Mann waren ihre Erfahrungen mit den amerikanischen Soldaten eher positiv geprägt. Auf die Frage, was sie fühlte, als sie von Hitlers Tod erfahren hatte, reagierte sie eher zögerlich. Sie erläuterte, dass ihr Vater, der nach Kriegsende von Cuxhaven nach Baunach heim lief, weder für noch gegen Hitler war. Allgemein beschrieb sie, dass in der Familie sehr wenig über den Krieg gesprochen wurde und dass ihr Vater eine Vorbildfunktion für sie hatte.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Gespräch mit dem Ehepaar für uns ein außergewöhnliches Erlebnis war, denn wir durften die geschichtlichen Ereignisse von einer völlig anderen Perspektive, nämlich der der Zeitzeugen, erfahren (obwohl manche Tatsachen aus sehr gefärbt geschildert wurden).


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Bericht der Gruppe 3

(Kurzer Ausschnitt des protokollierten Interviews) Frau K *1909, Geburtsort Augsburg, Wohnort während des Dritten Reichs Schweinfurt

 Wie ist Ihre Meinung über den Krieg?

- dass wir verlieren und keinen Krieg beginnen sollten

 War Ihr Vater im Krieg?

- Als ich war fünf Jahre alt, ist er in den Krieg gezogen - Er war Berufsoffizier seit 1939 - 1939 wollte ich meine Mutter, weil sie so große Angst hatte, nach Ulm bringen. - Frau K (unvermittelt): Ich habe eine Mensa für Studenten gegründet (in Bamberg?) und ich hatte die Leitung inne - Dort gab es ein Essen für 11 Pfennig

 Wie war ihr Alltag im Krieg?

- Bevor oder nachdem mein Mann gestorben ist? - Davor: Ich führte den Haushalt

 Was haben Sie über Hitler gedacht?

- Dazu will ich mich nicht äußern! - Aber ich kannte sie alle persönlich!

- Auf die Frage woher Sie sie kannte, ob privat oder von öffentlichen Veranstaltungen, kam keine klare Antwort

 Hatten Sie Angst um Ihr Leben?

- Wir (die Familie) waren im Keller unten als das Haus über Ihnen abbrannte 1944/45.

 War Ihr Ehemann Mitglied in der Partei?

- Nein, mein Mann war kein Mitglied – er hat so viel zu tun gehabt

 Welchen Beruf hatte ihr Mann?

- Er war stellvertretender Chef bei Kugelfischer

 War Ihre Familie wohlhabend?

- Das geht Sie nichts an!!!

 Wann starb Ihr Mann?

- 1943/44

 Hatten Sie etwas mit Juden zu tun?

- Es gab kaum Juden in Schweinfurt - Aber auf dem Gymnasium war ich mit einigen

 Haben Sie einen Beruf gehabt?

- Ich habe Zahnmedizin studiert, habe aber nie in diesem Beruf gearbeitet, da Ausbildung erst beendet war, als der Krieg begann

 Hatten Sie Freizeitaktivitäten?

- Es war Kriegszeit


Dies war nur ein Ausschnitt des kurzen Gesprächs mit Frau K, kurz danach haben wir das Gespräch beendet, da Frau K sehr erschöpft aussah.



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